Der Theatersommer ist anders – weil er sinnlicher ist

Interview mit Nicola Steller
Selbständige Presse- und Medienfachfrau

Du bist seit beinahe 15 Jahren für die Pressearbeit des Theatersommers zuständig und kanntest den Theatersommer auch schon vorher als Besucherin. Demnach hast Du fast alle Inszenierungen des Theatersommers gesehen. Gibt es eine Lieblingsinszenierung?
Nicola Steller:  Oh, das ist eine echte Qual der Wahl. Ich könnte so viele nennen. Eine Schiene, die mir besonders gut gefällt, sind die Film-Adaptationen, zum Beispiel „Kinder des Olymp“ und „Mittsommernachts-Sex-Komödie“. Ich bin aber auch ein großer Klassik-Fan und mag den freien, aber respektvollen Umgang des Theatersommers mit diesen Autoren. „Kabale + Liebe“, die Molière-Kombi „Der geizige eingebildete Kranke“, die legendären „Sommernachtsträume“ oder „Die Räuber“ in der vergangenen Saison waren meine Favoriten.

In der Kunst muss man sich immer wieder neu erfinden, sonst lässt das Publikumsinteresse schnell nach. Das ist auch im Theater ein bekanntes Phänomen. Nicht umsonst wechseln viele Intendanten und Regisseure meist nach 5-7 Jahren die Wirkungsstätte. Die Macher des Theatersommers haben diesen Kreislauf nach 23 Jahren schon mehrmals durchlaufen. Erfindet sich der Theatersommer immer wieder neu oder bleibt man einfach konsequent einem bestimmten Stil treu?
Nicola Steller: Zum Glück beides! Die Herangehensweise an jedes einzelne Stück war und ist typisch und unverwechselbar Theatersommer. Da werden Figuren verschmolzen und Beziehungs-Konstellationen verschoben, da wird der Ton heutiger und umgangssprachlicher, da werden komische Situationen betont und zugespitzt. Gleichzeitig versteht sich jede Inszenierung als Reverenz an den Autor, der nach teils mehreren hundert Jahren immer noch zu uns spricht. Trotzdem hat sich der Theatersommer auch spürbar verändert. Er hat schlicht zugelegt, mit mehr Produktionen pro Spielzeit, einem größeren Ensemble und nicht zuletzt deutlich erweiterten Sitzkapazitäten. Vor allem aber habt Ihr immer neue Elemente zu den vertrauten hinzugefügt. In den letzten Jahren hat sich das ursprünglich klassische Wochenende-Kindertheater zum Familien- und Schultheater weiterentwickelt. Generell stehen nicht nur „echte“ Dramen, sondern auch Adaptationen von Romanen und Kino-Filmen auf dem Programm. Und last but not least passen die Stoffe immer weniger in eine Genre-Schublade. Noch mehr als in den Anfangsjahren fließen das Komische und Tragische ineinander. Das finde ich gut so!

Das Zuschauerinteresse steigt jedenfalls von Jahr zu Jahr, ohne dass irgendwelche Stars auf der Freilicht-Bühne stehen. Worauf führst Du das zurück?
Nicola Steller:  Ich denke, es ist tatsächlich diese stimmige Mischung aus vertrauten Theatersommer-Konstanten und Neuerungen. Das Publikum kann sich darauf verlassen, niveauvoll unterhalten, aber eben auch überrascht zu werden.

Immer wieder wird in den Medien vom ganz besonderen Stil des Theatersommers gesprochen. Du arbeitst auch sonst viel im Bereich Theater, Tanz, Medien. Grenzt sich die Stilistik tatsächlich von der anderer Theater ab? Oder: Was ist das Besondere am Theatersommer?
Nicola Steller: Der Theatersommer ist anders – weil er sinnlicher ist. Das hängt mit vielen Faktoren zusammen. Zuallererst natürlich mit der magischen Atmosphäre draußen im Cluss-Garten, der Abhängigkeit von den Elementen, im guten wie im schlechten Sinn. Dann natürlich das sehr „straighte“, körperbetonte Spiel ohne die derzeit so angesagte Konzept-Überfrachtung. Und die – im Gegensatz zu praktisch allen anderen Theatern, die ich kenne – wunderbare Konstanz in der künstlerischen Leitung. Nachhaltigkeit! Wenn ich es recht bedenke, ist es das, was ich mit dem Theatersommer am meisten verbinde.

Das mediale Interesse am Theatersommer hat nach 23 Jahren eine gewisse Kontinuität erreicht. Mit dem berühmten Reiz des Neuen kann man für den Theatersommer nicht mehr bei den Medien werben. Wie schaffst Du es trotzdem, die Medien immer wieder für den Theatersommer zu interessieren?
Nicola Steller: Oh doch. Den Reiz des Neuen gibt es sehr wohl. Nicht im Konzept oder was die Personen anbelangt. Aber ich bin jedes Jahr ehrlich gespannt, wenn ich die Stückauswahl für die neue Saison erfahre. Das ist wie mit einer Wundertüte. Du weißt nie, was drinsteckt. Und das empfinden die Journalisten anscheinend ziemlich ähnlich. Jedenfalls kann ich sicher davon ausgehen: Der Theatersommer ist in der weiteren Region als Thema gesetzt. Da muss ich nicht mehr groß argumentieren.

Ein besonderer Theatersommer-Moment, der Dir spontan einfällt?
Nicola Steller: Kein einzelner Moment, sondern viele, wenn die Schauspieler irrwitzig schnell die Rollen wechseln und nach gefühlten fünf Sekunden im neuen Kostüm auf die Bühne zurückkehren. Oft so perfekt umgestylt, dass man eine Weile braucht, bis der Groschen fällt.

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