Der Theatergarten und die Jahre der Wandlung

Eine grüne Theaterinsel mitten im Herzen Ludwigsburgs
Der Theatersommer Ludwigsburg feiert dieses Jahr seinen 25. Geburtstag und das bedeutet auch 25 Jahre Theater-Garten. Es sind die Jahre der Wandlung vom verlassenen und verwunschenen „Hortus conclusus“ zum, zwar immer noch von dicken Natursteinmauern umschlossenen, aber nun öffentlichen, weithin bekannten und gern besuchten Theater-Garten, mit seiner ganz besonderen, eigenen Stadt-, Natur- und Klimazone innerhalb der Innenstadt. Der Garten und seine wilde Natur ist, wie auch schon vor 25 Jahren, immer wieder Inspiration und Spielraum für das Sommertheater.

Die Anforderungen an das Areal des Theatergartens sind aufgrund der steigenden Besucherzahlen und des damit verbundenen technischen Aufwands für die Inszenierungen immer mehr gewachsen. Im Lauf der Zeit wurde die Infrastruktur verbessert und angepasst. Trotzdem ist der Garten, so wie ihn die Besucher der ersten Stunde kannten, in seiner Wildheit und Natur immer noch sichtbar und erlebbar. Die geraden Buchshecken des Fräulein Cluss im Foyerbereich und beim Kindertheater, die zwei großen Eiben in der Mitte des Gartens und der große Ahorn in der südwestlichen Ecke, die Holundersträucher und der bodenbedeckende Efeu sind immer noch, wie vor 25 Jahren, die strukturgebenden Elemente im Garten, auch in der dritten Dimension. Nicht zu vergessen die Efeuranken an den alten Haselsträuchern, die einen Hohlweg vom hinteren Eingang zum Foyer bilden. Oder die Amsel, die während einer Aufführung mitten über die Bühne fliegt.

Unter freiem Himmel Theater zu inszenieren bedeutet auch, sich mit ständig veränderbaren Gegebenheiten der Natur auseinander zu setzen. Klimatische und wetterbedingte Aspekte, die sich wandelnde Natur, das Wachsen der Bäume und Pflanzen lassen immer wieder andere Atmosphäre und Stimmungen entstehen.

Nichts so, wie es scheint
Aber es ist nicht immer alles so, wie es scheint und wie die Besucher den Theater-Garten wahrnehmen! Um diese einzigartige Kernatmosphäre eines verwunschenen Gartens zu erhalten, müssen gärtnerische Hände ans Werk gehen. So werden im Herbst nach der Saison und dem Abbau der Bühnenbilder umfangreiche Pflege- und Schnittarbeiten im Garten durchgeführt. Im Frühjahr folgt dann der Frühjahrsschnitt am Pflaumenwäldchen im Foyerbereich sowie Pflege-, Dünge- und Schnittarbeiten an den Buchshecken. In dieser Zeit werden Sträucher zur Abgrenzung und Kaschierung des Bühnenbereichs gepflanzt. Hier haben sich die Forsythien als besonders theatertauglich und flexibel erwiesen. Es gibt Forsythiensträucher, die in einer Spielsaison zwei- bis dreimal den Standort gewechselt haben und umgepflanzt wurden. Die Wege entlang der Hecken und Gehölz- und Efeuflächen, die Verbindungen zwischen den einzelnen Bereichen des Gartens, werden im Frühjahr mit Rindenhäcksel belegt.

Fünf-Jahres-Zyklen
Betrachtet man das Wachsen und Werden des Gartens über 25 Jahre hinweg, so zeigt sich eine Entwicklung in ungefähren Fünf-Jahres-Zyklen, die mit der Entwicklung des Theaters einhergehen.

Das erste Jahrfünft, 1991-1995
In den ersten fünf Jahren wurde der Garten von den Theaterleuten erforscht und vielschichtig entdeckt. Es wurden die Orte für die Bühne beim alten Kirschbaum und die Tribüne festgelegt. Auf mühsam gerodeten verschlungenen Pfaden, rudimentär in ihrer Ausgestaltung, gelangten die Theaterbesucher zur Tribüne. Es gab keine Abgrenzung zum Biergarten, und wo sich heute das Kindertheater befindet, wuchsen nur wildes Gebüsch und stachelige Brombeerranken. Die alte Laube des Fräulein Cluss, kunstvoll konstruiert aus schlanken Fichtenstämmen, stand noch hinter den beiden großen Eiben. Das heute noch verwendete Kassenhäuschen befand sich in der alten Fabrik der ehemaligen Cluss-Brauerei. Die Schauspieler spielten auf einer Bühne aus Sandboden, was bei Regenwetter sicherlich nicht wirklich angenehm war. Phantasie war gefragt, und so ist für diese Anfangsphase des Theatersommers die Inszenierung der „Sommernachtsträume“ frei nach Shakespeare bezeichnend.

Das zweite Jahrfünft, 1996-2000
Ab Mitte der Neunzigerjahre wurden Infrastruktur und Technik weiter verbessert. Dabei wurde vermehrt zugunsten des Theaters in die Struktur des Gartens eingegriffen. Ein Beispiel für die Intensität mancher Eingriffe war die Inszenierung von Heinrich von Kleists „Käthchen von H.“ Für einen unterirdischen Geheimgang wurden große Erdmassen bewegt und eine Grube mit rund 2 m Tiefe ausgehoben.

Als prägendes Element des Bühnenbereiches stand in der Mitte der Bühne der große alte Kirschbaum mit seinen ausladenden Ästen. Vollständig eingewachsen in einer dicken Efeuschicht. Schon seit den Anfängen des Spielbetriebs hatte er unter der Bodenverdichtung und dem Efeukorsett gelitten und war schließlich einer Pilzerkrankung zum Opfer gefallen. Die abgestorbenen Äste mussten nach und nach entfernt werden. Der efeubewachsene Stamm wurde zur Stabilisierung mit Metallstützen versehen, um so dieses Element im Bühnenbereich zu erhalten und gleichzeitig für die Technik und Beleuchtung einen bühnennahen Ort zu schaffen.

Im Jahr 1999 konnten auf dem angrenzenden Grundstück Räumlichkeiten für einen neuen Proberaum, Garderobe, Werkstatt und Lager angemietet werden. Die dicke Natursteinmauer wurde durchbrochen und eine Tür eingebaut. In diesem Jahr wurde auch der Förderverein des Theatersommers im Cluss-Garten e. V. gegründet. Ziel und Zweck ist bis heute die Erhaltung, Pflege und Ausbau des Theater-Gartens, die Verbesserung der Infrastruktur und die Förderung des Kinder-/Familientheaters.

Das dritte Jahrfünft, 2001-2005
Im Jahre 2000, zum zehnjährigen Jubiläum des Theatersommers, wurde das Kindertheater mit der Inszenierung von „Dschungelbuch“ im westlichen, noch wilden Bereich des Gartens eröffnet. Genau da, wo im Jahr zuvor die alte Gartenlaube bei den großen Eiben dem Orkan Lothar zum Opfer fiel. Der Weg zum Kindertheater wurde auf der Südseite angelegt und zwischen den zwei Buchshecken zur Zuschauertribüne und der Naturkulisse des Theaters geführt. Begleitend zum Jubiläum, wurde zum ersten Mal eine Fotoausstellung „Theater-Momente“ mit Szenen aus den vergangenen Inszenierungen im Garten entlang den Wegen gezeigt. Die Fotoausstellung wird seitdem in jeder Theatersaison fortgeführt, und es ist immer wieder überraschend zu sehen, wie die Theaterszenen im Bild mit und in der Natur lebendig werden.

Mit der Umgestaltung des Rathaushofes und dessen Fertigstellung 2003 bot sich die Möglichkeit, von dieser Seite her einen neuen Eingang in den Theatergarten zu schaffen. Mit Plakaten und Fahnen wurde er für die Passanten sichtbar gemacht. Dieser Zugang zum Theatergarten ist heute vor allem deshalb stark frequentiert, weil der Weg vom Scala über den Biergarten während der langjährigen Baumaßnahmen unattraktiv war. Somit wurde der südliche Weg im Garten zum Hauptweg für die Anbindung an das Kindertheater, die große Bühne und zum Foyer mit der Kasse. Durch diesen neuen Eingang vom Rathaushof her öffnet sich der verwunschene Theatergarten noch mehr der Öffentlichkeit. Mit der Inszenierung von „Don Carlos und die 1001. Nacht“ war erstmals eine Bearbeitung zeitnah am politischen Geschehen der Gegenwart angesiedelt; sie trug außerdem erste Züge einer Inszenierung mit Spielfilmcharakter.

Die Infrastruktur wurde weiter verbessert und mit finanzieller Unterstützung des Fördervereins Garderoben und Toiletten in den Proberäumen eingebaut. Auf der großen Bühne wurde dauerhaft ein Bühnenboden aus Holz installiert – ein großes Plus für die Schauspieler. Beide Zuschauertribünen wurden generalüberholt und mit wetterfesten Holzplatten ausgestattet.

Das vierte Jahrfünft, 2006-2010
Im vierten Zyklus ab 2006 schreitet die Wandlung vom einst verwunschen Garten hin zum jetzigen Theatergarten voran. Innerhalb des Gartens wurden Räume abgeteilt und der wilden, alles durchdringenden Natur Grenzen gesetzt. Zugleich entstanden dauerhafte Theaterbauten wie Technikhaus oder Requisiten Lager. Auf der Bühne wurden unterschiedliche Räume und Zeiten inszeniert, so zum Beispiel in „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse.

Auch der Foyerbereich veränderte sich. Hier konnten von der 2004 auf der Bärenwiese veranstalteten Gartenschau „Temporäre Gärten“ Holzplanken günstig übernommen werden, um den Foyerbereich zu vergrößern und für die Besucher bequemer zu gestalten. Hinzu kam ein Bar-Bereich mit einer stimmungsvollen Beleuchtung, der zum Verweilen vor und in den Pausen einlädt.

Währenddessen beeinträchtigen die zunehmenden Abendveranstaltungen auf dem neu gestalteten Rathaushof das Theaterspiel und den Genuss mancher schönen Inszenierung im Freilichttheater. Als Reaktion darauf dachte man über Lärmschutzwände nach, auch in Richtung des Biergartens. Ein Gutachten sollte die Situation näher untersuchen. Wenig später begann man mit dem Errichten von Lärmschutzwänden, eine Erleichterung auch für die Schauspieler. Der Garten veränderte dadurch weiter sein Gesicht, neue Räume im Freien mit einer jeweils eigenen Atmosphäre entstanden.

Der Garten und das Freilichttheater wurden immer bekannter, ja zu einem Lieblingsort der Bürger der Stadt und darüber hinaus. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Lieblingsplatz“ des Stadtmuseums beschrieb Sabine Deutscher Ihren Lieblingsplatz in Ludwigsburg und erzählte in einem poetischen Vortrag vom Zauber des Cluss-Gartens.

Das fünfte Jahrfünft, 2011-2015
Die letzten fünf der ersten 25 Jahre Theatersommer standen im Zeichen der Bewegung und der Erprobung von Neuem. Es wurden Spielfilme wie „Himmel über Berlin“ oder „Purple Rose of Cairo“ für das Theater bearbeitet und inszeniert. Die Technik wurde für die Inszenierungen immer wichtiger und nahm immer mehr Platz ein. Bäume und Großsträucher wurden manchmal zu „Kabelstützen“, und die Efeuflächen sind durchzogen von Beleuchtungs- und Medienkabeln.

Die Theaterbesucher in Bewegung setzte 2014 „Garten von Godot“, eine Inszenierung im Rahmen des Projekts „Garten Eden“ der Kulturregion Stuttgart. Das Stück spielt an verschiedenen Stellen im Garten und hier vor allem noch in der „wilden Natur“ und erschließt dem Publikum dadurch auch neue Sichtweisen auf den Garten. Trotz der begrenzten Besucherzahl pro Vorstellung hatte der Garten vor allem an Engstellen zu leiden und die Efeudecke wurde auf eine harte Probe gestellt.

In den letzten fünf Jahren sind die Besucherzahlen des Theatergartens stetig gestiegen, was wiederum eine Verbesserung der Infrastruktur erforderte – darunter die Sanierung und Erweiterung der Toiletten. Im letzten Jahr wurden dann Theatervorhänge und eine weitere Lärmschutzwand hinter der Bühne zwischen den großen Eiben eingebaut, um die Geräusche von Veranstaltungen auf dem Rathaushof und aus dem Biergarten noch weiter zu dämpfen. Es entstand nun ein geschlossener Raum, nach oben offen, während den Aufführungen, quasi ein „Theater conclusus“, die wilde Natur des Gartens übernimmt hier die Statistenrolle.

Das Theater braucht den Garten zur Inspiration
Wie sehen die nächsten fünf Jahre aus? Wie werden sich der Garten und das Theater in Zukunft entwickeln? Das muss sich zeigen. Fest steht aber, dass der Garten ohne das Theater und das Theater ohne den Garten nicht existieren kann. Das Theater braucht den Garten zur Inspiration für die vielgestaltigen Inszenierungen und der Garten das Theater und damit die Besucher, die gerne in die grüne Oase, den magischen Garten mitten in der Stadt kommen und sich daran erfreuen.

Dorothee Batz, Landschaftsarchitektin Ludwigsburg / Februar 2015

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