Im Gespräch mit der Münchner Schauspielerin Astrid Polak über die Blitzübernahme in „Harold & Maude“ und ihren Theatersommer in Ludwigsburg
Acht Tage vor der Premiere von „Harold & Maude“ konnte die Darstellerin der Maude aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiter proben und diese tragende Hauptrolle musste umbesetzt werden. Sofort schienen alle offenen Fragen und ungelösten Details im Probenprozess überflüssig, denn die vorrangige Aufgabe des Theaters bestand jetzt darin, so schnell wie möglich eine gute, belastbare, bezahlbare und offene Schauspielerin um die achtzig zu finden, die die Rolle übernehmen konnte und dann in einer Woche das Stück fertig zu machen. Zu diesem Zeitpunkt schien die Bewältigung dieser „einfachen Aufgabenkombination“ völlig unmöglich. Aber das ist das Wesentliche und zumindest im Nachhinein das Schöne am Theater: man macht immer wieder Unmögliches möglich.Quasi über Nacht entstand durch den langjährigen Kollegen Andreas Klaue der Kontakt zu Astrid Polak in München.
Nachdem du von Andreas Klaue für die Rolle der „Maude“ empfohlen wurdest, hatte dich die Regisseurin Christiane Wolff gleich angerufen und gefragt, ob du dir einen solchen Blitzeinstieg in die Produktion mit dieser großen Rolle vorstellen könntest.
Astrid Polak: Ich habe sofort gewusst, dass ich das machen möchte und sehr gehofft, dass ich es auch schaffe. Eigentlich habe ich meine Klamotten auch gleich in den Koffer gepackt.
Eine Woche bis zur Premiere und eine neue Hauptdarstellerin! Du kamst hier an und musstest sofort loslegen. Es gab keine Zeit für irgendwelche Konzeptionsgespräche oder Diskussionen. Wie habt ihr gearbeitet, um das hinzukriegen?
Astrid Polak: Morgens um 6 Uhr habe ich Text gelernt, von 10 bis 14 Uhr probten wir die Szenen, in denen ich vorkam. Dann hat Christiane in den übrigen Szenen an Details gearbeitet und ich habe schriftlich nachbereitet, was ich alles an Verabredungen zu behalten hatte. Dabei bin ich von vier unglaublich hilfreichen Kollegen unterstützt worden, die mir meinen Einstieg durch ihre Offenheit, ihre Geduld und ihren Fleiß wahnsinnig erleichtert haben. Aber zum Nachdenken bin ich nicht gekommen. Meine ganze Wahrnehmung richtete sich ausschließlich auf die Inszenierung, die Arrangements, die Bühne, die Requisiten und die Kollegen. Einmal bin ich in einer kurzen Probenpause auf der Bühne in der Sonne eingenickt. Als ich wach wurde, habe ich erst bemerkt, wie wunderschön der Theatergarten ist. Aber es war nicht leicht die Wege zu behalten, die ich von einem Abgang zum nächsten Auftritt „backstage“ durch den Garten gehen musste, besonders in dem Tempo, das die Szenenreihenfolge später erforderte. Wir mussten manchmal ganz schön rennen.
Hut ab vor deiner Leistung! Wie war für dich die Arbeit mit deinem sehr jungen Kollegen Volkmar Leif Gilbert, der den Harold gespielt hat und mit dem du in der kurzen Zeit die Liebesgeschichte entwickeln musstest?
Astrid Polak: Wir haben uns wirklich von Anfang an super gut verstanden. Die Chemie hat zwischen uns einfach gestimmt, obwohl wir 56 Jahre auseinander sind. Ich habe immer großen Spaß gehabt, mit ihm zu spielen.
Also war das Liebe auf den ersten Blick?
Astrid Polak: Genau, und ich glaube, das hat das Publikum auch gespürt und uns deshalb die Liebesgeschichte wirklich abgenommen.
Gibt es eine Lieblingsszene oder eine Lieblingsstelle, die du besonders gern gespielt hast?
Astrid Polak: Eigentlich war das immer die Szene mit Harolds Mutter, Mrs. Chasen. Die Szene ist einfach so witzig und hat viele gute Pointen.
Oft ging ein Raunen durchs Publikum, wenn du die Leiter zum Hochsitz hinaufgestiegen bist. Hat dich das manchmal gestört?
Astrid Polak: Nein, ganz und gar nicht. Ich wäre nur gern noch auf die Bank geklettert, was ich aus Sicherheitsgründen aber nicht durfte.
Die Zuschauer haben tatsächlich nicht nur deine schauspielerische Leistung und zauberhafte Ausstrahlung bewundert, sondern waren auch völlig fasziniert von der Vitalität mit der du durch den Garten gehüpft bist. Hast du eine heimliches Jungbrunnen-Rezept?
Astrid Polak: Mein Beruf ist mein Jungbrunnen. Wenn ich spiele geht es mir gut, ich fühle mich wohl und bin glücklich. Außerdem ist die ganze Rolle der Maude ein einziger Jungbrunnen.
Dann müssten alle Menschen, die lange jung bleiben wollen Theater spielen.
Astrid Polak: Das wäre einen Versuch wert!
Beim Theatersommer gibt es in den Produktionen immer viel Musik. Wie war das für dich, mit so viel Musik zu arbeiten?
Astrid Polak: Wunderbar! Die Musik war im Grunde der fünfte hilfreiche Kollege. Ich fühlte mich in meinem Spiel emotional getragen und schon bei den Auftritten stimmungsmäßig unterstützt. Das konnte man wunderbar benutzen.
Hast du vielleicht auch einen Lieblingstitel, den du heute noch gern hörst?
Astrid Polak: IF I LAUGH von Jess Abrams. Das ist das letzte Lied im Stück.
Gibt es eigentlich zwischen dir und Maude eine ganz wesentliche Übereinstimmung?
Astrid Polak: Ja, Maudes Lust zu leben!
Was wird dir von diesem Theatersommer am meisten in Erinnerung bleiben?
Astrid Polak: Das Stück, die Kollegen, die fabelhafte Inszenierung und der zauberhafte Garten! Ich würde gern nächstes Jahr wieder kommen und vielleicht darf ich ja dann auf die Bank klettern!