von Hermann Hesse in einer Bearbeitung von J. Lux / Aufführungsrechte: Suhrkamp Verlag
für den Theatersommer eingerichtet von Peter Kratz
Nur für Verrückte! – Alle bleibt ziemlich anders…
INSZENIERUNG: Peter Kratz
KOSTÜME: Penelope Coçar
BÜHNE: Enno Craiss
MIT: Tina Eberhard, Bernadette Hug, Andreas Klaue, Dr. K.
KONZEPTION
Nur für Verrückte: Dies zeitlos hintersinnige Motto meißelte Hermann Hesse gleichsam ans Eingangsportal seiner Erzählung „Der Steppenwolf“. Deren titelgebender, wild gespaltener Hauptheld Harry Haller sollte zu einer der großen literarischen Figuren der Moderne aufsteigen, seine Aufzeichnungen zum modellartigen Psychogramm des Heute-Menschen.
Karriere hat Harry Haller auch im Theatersommer bereits gemacht, in der einzigen von Hesses Erben genehmigten Bühnenfassung. Aufbauend auf der Idee der Teilung des Helden in zwei Figuren – den Schriftsteller Haller und Harry, sein antibürgerliches Spiegelbild – wagt nun die stark überarbeitete Inszenierung 2019 eine markante Verschiebung der Akzente und bringt definitiv neue Energie ins Geschehen. Zum einen wird die Rebellion weiblich, mit allen Konsequenzen. Es sind jetzt Mann und Frau, die hier in raffinierter Weise mit- und gegeneinander operieren.
An der Seite von Andreas Klaue steht, als Hallers provokante weibliche Egohälfte und „Steppenwölfin“, die zweifach mit dem Darstellerpreis der Schauspielbühnen Stuttgart ausgezeichnete Tina Eberhardt. Der Auftritt dieses vereinten weiblich-männlichen „Ich“ schlägt auch neue Funken in den Beziehungen zu den übrigen Akteuren. Hinzu kommt: Die eigens für die Inszenierung komponierte Musik von John King begleitet zentrale Passagen live und spielt dadurch noch sinnfälliger ins Geschehen hinein.
So verbinden sich Klassiker und Experiment durch typische Theatersommer-Magie zum wuchtigen, intensiven Bühnenerlebnis – gewürzt mit viel Spielwitz und befreiendem Lachen, ganz im Sinne des Autors Hesse.
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PRESSESTIMMEN
Ein wunderbares Trio
„Es war schon eine dramaturgische Meisterleistung von Theatersommer-Intendant Peter Kratz, diesen mäandernden Roman erstmals 2006 auf die Bühne im Cluss-Garten zu bringen. Der Clou dabei war, dass er die zerrissene Persönlichkeit Hallers in zwei Rollen zerlegte, einmal den bürgerlichen Harry Haller und den Steppenwolf, eine Art Alter Ego.
Die überaus gelungene und erfolgreiche Inszenierung erfuhr schon 2007 und 2009 Wiederaufnahmen. Für die diesjährige partielle Neuinszenierung hat er sich als Lösung ausgedacht, die Rolle des Steppenwolfes weiblich zu besetzen. Und tatsächlich hat sich gezeigt, das Stück hat sich dadurch auch deutlich verändert. Was auch im Hinblick auf die derzeit aktuelle Genderdebatte interessant und für das Theater logisch erscheint. In Tina Eberhardt hat Kratz auch eine Darstellerin gefunden, die der Rolle so viel neues, eigenes Gepräge gibt, dass es nicht übertrieben ist, von einer partiellen Neuinszenierung zu sprechen. Tina Eberhardt, die versierte Bühnendarstellerin, meist mit etwas strengen, ernsten Rollen besetzt, schafft scheinbar mühelos, sich auf die spezielle Art des Theaters im verwilderten Garten einzustellen. Ihren Steppenwolf kann man sowohl zwischen männlichen und weiblichen Komponenten erleben, aber durchaus auch im Niemandsland zwischen den Geschlechtern – eine kryptische und dann wieder glasklare Figur, gewürzt mit den gewohnten Theatersommer- Attitüden, dem speziellen Humor, den weiten Wegen auf der breiten Bühne, dem Verschwinden im neuen Bühnenbild oder im Gebüsch, dem vollen, sportlichen Körpereinsatz.
Aber natürlich nicht nur das. Auch im Zusammenspielmit Andreas Klaue, der seine Rolle des verunsicherten, im Grunde verschreckten Haller auch noch ein wenig tapsiger anlegt und so die Unterschiede zu den damenhaft eleganten Bewegungen von Tina Eberhardt noch besser herausarbeitet. Die beiden haben tatsächlich eine neue Ebene für ihren dialogischen inneren Monolog der Figur gefunden, der zwar völlig anders, aber nicht weniger stimmig ist als der in der Ursprungsinszenierung. Hier treffen zwei Klassedarsteller aufeinander, die der Figur zwischen schizoiden Komponenten und dem ganz normalen Seelenkarussell der Stimmungen, der Wünsche und Begierden unglaublich viele Konturen verleihen.
Ebenfalls ein Gewinn ist Bernadette Hug in der Rolle Frauen um Haller, Hermine und Maria, die einen wesentlichen Input liefert, wie man zumindest nach den Jahren meint auch betont stärker als in den bisherigen Vorstellungen mit anderen Schauspielerinnen. Mal lasziv, dann wieder mütterlich sorgt sie dafür, dass diese Aufführung auch etwas Goethes Faust mitbekommt, ein Verhältnis wie zwischen Mephisto und Faust, wie der Führer für den Suchenden in einer für ihn geheimnisvollen, fremden Welt. So wird aus dem Duett, welches das Stück früher war, ein wunderbares Trio.
Eines, in dem Andreas Klaue es schafft, sowohl mit Tina Eberhardt als auch mit Bernadette Hug eine enge schauspielerische Bindung einzugehen, die das komplexe Geschehen – das dem Zuschauer kein Abschalten erlaubt, sofern er den Details folgen möchte, und das sowohl intellektuell als auch emotional den Besucher direkt anspricht, fesselt und einbezieht – erst vollkommen durchschaubar und nachvollziehbar macht. Wobei es seine Geheimnisse, seine Interpretationsmöglichkeiten nicht preisgibt und letztlich sehr bewusst auf eine Katharsis verzichtet. Die Welt wird schließlich nicht besser, die Menschen bleiben gespalten.“ – LKZ –
ZUSCHAUERZAHLEN
2019: 1.474 Besucher / 11 Aufführungen